KUNST RAUM VILLACH HAUPTPLATZ 10, 9500 VILLACH

Spätherbstlicher Besuch

2012

Impressionen von der Vernissage

ZOE GUGLIELMI ATAVISMEN

 

Eröffnungsrede von Birgit Stegbauer

 

 

Mit Zoe Guglielmi begrüßen wir eine junge Künstlerin in unserer Stadt, die bei GemmaKunstSchaun schon zwei Mal gemeinsam mit anderen Künstlerinnen Räume bespielt hat. Nun widmet ihr der KUNST RAUM VILLACH eine Einzelausstellung, in der ca. 30 Ölgemälde und Zeichnungen aus mehreren Schaffensjahren zu sehen sind. Zoe Guglielmi spricht lächelnd von einer ersten "Retrospektive" - soweit dies in ihrem zarten Alter, mit 28, schon gesagt werden kann:

 

Atavismen hat Zoe diese Ausstellung betitelt. Atavismen, das sind rudimentäre Organe und sichtbare Auswachsungen am menschlichen Körper, die im Laufe der Evolutionsgeschichte eigentlich abhanden kamen, etwa ein Schwanzstummel oder eine komplette Behaarung des Gesichts. Im übertragenen Sinne stehen die Atavismen allerdings auch für ursprüngliche Verhaltensweisen: Als Begriff für menschliche Ur-Instinkte, die im Laufe der soziokulturellen Evolution kaschiert wurden, aber dennoch in uns schlummern und wieder hervorbrechen können - eine Metapher für das Animalische im Menschen sozusagen. Und solche Verhaltensatavismen sind es, die Zoe in ihren Arbeiten offenlegt.

 

Sieht man von zwei Arbeiten ab, sind in allen hier ausgestellten Werken Tiere abgebildet, allen voran Vögel: Singvögel, Wellensittiche, Eulen, Papageien, Geier, Schwäne, Raben und mehr. Zoe hat mir versichert, sie mag Vögel schon, aber Vogel-Fanatikerin sei sie keine. Und auf keinen Fall seien die Vögel ihr Alter Ego. Sie begreife die Vögel als Übermittlerfiguren zwischen Himmel und Erde, als geflügelte Wesen, die vergleichbar sind mit Engeln oder der mythologischen Figur des Merkur, des Götterboten mit den geflügelten Schuhen. In ihren Porträts symbolisierten die Tiere den unbewußten, den animalischen Teil der Identität des Abgebildeten. Welches Tier auswählt werde, hänge letztlich von der Stimmung und von der Person auf dem Bild ab.

 

Überhaupt, Zoe's Porträts: Immer handelt es sich um Familienmitglieder, Freunde und Bekannte. Die Porträts sind keine rasch hingeworfenen Skizzen, sondern das Ergebnis langer Arbeit: Im Schnitt setzt sich Zoe gute 20 Stunden intensiv mit ihrem Gegenüber auseinander. Was dabei entsteht ist weniger das Festhalten eines momentanen Eindrucks, als vielmehr eine Evokation, die die porträtierte Person in Zoe hervorruft, ein Traumbild:

 

Da wachsen Geweihe und Zweige aus Köpfen heraus. Oder die Köpfe sind gar abgetrennt und aus dem Hals ranken sich Blumen. Oder ein Pferdekopf ist mit groben Stichen an den Hals angenäht. Die Porträtierten bluten aus Wunden oder sind umgeben mit Blut-Symbolen, wie z. B. einer Tasse roten Tees oder einer italienischen Cafeteria, aus der roter Kaffee fließt. Die vielen kleineren Formate, aber auch die größeren Arbeiten sind voller verwirrender Symbole und Allegorien, die Gefühle und Emotionen im Betrachter hervorrufen, darunter sicherlich auch eine gewisse Verwirrung.

 

Selbst Bildtitel, soweit es diese gibt, sind nicht unbedingt ein Schlüssel zu einem besseren Werkverständnis: Ich denke gerade über Platon nach heißt der Titel ihrer Abschlußarbeit für die Wiener Akademie der Bildenden Künste, einer großen, mehrteiligen Arbeit, die auch hier ausgestellt ist. Und angeblich kam es folgendermaßen zu diesem Titel: Zoe war mit Freundinnen in Athen und unterhielt sich mit diesen, als ihre Gedanken plötzlich abwanderten an den von ihr geschätzten Platon. Sobald ihre Freundinnen merkten, dass sie nicht mehr am Gespräch teilnahm, fragten sie, "Hey, Zoe, woran denkst Du?" Worauf Zoe mit großer Bedeutungsschwere entgegnete "Ich denke gerade über Platon nach!". Sie können sich vorstellen, dass dies fortan zum geflügelten Wort unter den Freundinnen wurde und sich kurz darauf auch im Titel der Diplomarbeit niederschlug.

 

Und dann komme ich nach den Tieren und den Porträts zu einem letzten Leitmotiv in Zoe Guglielmi's Schaffen: Ihre Liebe für die klassische Mythologie und alles Mediterrane, für Griechenland und Kroatien, ihr Geburtsland. Die jüngsten hier ausgestellten Werke sind in Kroatien entstanden und haben gerade noch ihren Weg in diese Ausstellung geschafft. Es sind Familienporträts, Vogelporträts, Fischstilleben, heitere, ruhige Werke, die in Ermangelung eines Ateliers vor Ort als kleinere Formate, als Zeichnungen gearbeitet wurden.

 

Zoe Guglielmi wird nicht müde zu betonen, dass ihre Arbeiten eine Collage alles Erlebten seien: Darum will ich Ihnen ein paar biographische Informationen nicht vorenthalten: Die 1985 in Zagreb geborene Künstlerin zog 1991, zu Beginn des Kroatien-Krieges, mit ihren Eltern nach Wien. Dort ging sie zur Schule und studierte an der Wiener Akademie der Bildenden Künste in der Klasse von Prof. Hubert Schmalix sowie von Amelie von Wulffen. Beide Lehrer haben nicht wirklich einen Einfluss auf die künstlerische Entwicklung von Zoe Guglielmi gehabt. Aber es gibt gewisse Parallelen, nämlich in der Beschäftigung mit dem Menschen und mit der eigenen Biographie. Botticelli und Velazquez sind ihre eigentliche Inspirationsquellen bzw. diejenigen Künstler, die Zoe am meisten beeindruckt haben. Noch während des Studiums ging sie für ein Auslandssemester nach Athen, hinzu kamen und kommen regelmäßige längere Aufenthalte in ihrer Heimat Kroatien. 2008 schloß sie die Wiener Akademie mit dem Magister-Titel ab.

 

Danach zog sich Zoe für zwei Jahre nach Berlin zurück, um in der Anonymität der Metropole ein wenig zur Ruhe zu kommen. Das dort entstandene große Werk, das Sie ebenfalls im KUNST RAUM VILLACH sehen können, ist das Porträt zweier Hähne vor einem wolkigen Bildhintergrund, das eingefasst wird von einem breiten Rahmen mit etwa 50 Porträts. Die Arbeit erstaunt in zweierlei Hinsicht: Zum einen verkehrt sich in ihr die Rangordnung Mensch-Tier, indem Tiere in ihrem Zentrum stehen, die Menschen nur das Rahmenwerk bilden. Zum anderen sind da die Porträts: Selten hat sie sich mit ihrem Freundeskreis so intensiv beschäftigt, als nun, aus der Distanz heraus. Seither lebt und arbeitet Zoe wieder überwiegend in Wien.

 

In einer Wiener Akademie-Ausstellung des Jahres 2006 beschreibt der Kurator Adam Budak Zoe's Malerei als gemalte Labyrinthe aus Traumwelt und Erlebtem, aus Phantasie und Trugbildern; als Orte, in denen die reale, sichtbare Wirklichkeit mit Träumen und Halluzinationen zu einem neuen Ganzen verschmelzen, das sich einer üblichen kunsthistorischen Interpretation entzieht. Budak ringt förmlich um eine Zuordnung von Zoe's Werken in eine der großen, kunsthistorischen Strömungen. Und findet Parallelen vor allem zur Kunst der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, dem Magischen Realismus, dem Surrealismus und der Neuen Sachlichkeit.

 

Halten Sie, liebe Ausstellungsbesucher, es mit folgendem Spruch von Gene Beere, wenn Sie sich auf Zoe Guglielmi's Kunstwerke einlassen:

Artists paint themselves

viewers see themselves -

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Birgit Stegbauer

 

 

Vernissage: Donnerstag, 18. April 2013 ab 19.00 Uhr

Zur Eröffnung spricht: Dr. Karin Hafner (Kunsthistorikerin)

 

Künstlergespräch mit Zoe Guglielmi: 23. 5. 18. Uhr

Zum Künstlergespräch kommt Jungwinzer Marcus Gruce vom Georgium / St. Georgen am Längsee welcher Kultur aus dem Boden mit Kultur aus dem Geist zu verbinden weiss.

 

Ausstellungsdauer: 19. April 9. Juni 2013

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